"Lieber Emil, Sie kennen die Harmonie der Gefühle, die in meinem kleinen Familien Zirkel herrscht, darum erspare ich mir alle Auseinandersetzung meiner Freude und Theilnahme über das Gelingen Ihrer Wünsche u. Hoffnungen in Berlin und beziehe mich auf die beyliegenden Zeilen der Meinigen. Ich wäre gern ausführlicher gewesen, aber es ist eben unmöglich, Muße zum Schreiben zu finden. Ich schreibe dieses um 11 Uhr Nachts eine Stunde nach Ankunft meiner Schwägerin Mad. Jaques. Es ist besonders das öffentliche Prüfungs Concert welches die Conservat. Schüler nächsten Samstag geben sollen, welches mir so viel zu schaffen macht. Meine Schwägerin hat mir schon in aller Eile erzählt, wie interessant ihr Ihre Bekantschaft wurde, wie schön Sie die gewisse Beethovensche Sonata appassionata gespielt haben, die mir von Ihnen gespielt in Bonn so eine angenehme Ueberraschung war. Ich erwarte nun über die 2te Aufführung Ihres Oratoriums in Berlin bald Näheres und bleibe mit aufrichtiger Freundschaft Ihr I. Moscheles." - Emil Naumann (1827-1888), 1842-1844 Schüler von Felix Mendelssohn Bartholdy am Leipziger Konservatorium. Sein Oratorium "Christus der Friedensbote" wurde 1848 am 23.12.1848 in Dresden mit "viel Beifall" (AmZ 27.12.1848) uraufgeführt. 1849 dirigierte Naumann sein Oratorium in Berlin zuerst im November zum Geburtstag der Königin in der Garnisonkirche, und im Dezember "zum zweiten Male vor einem sehr gewählten Auditorium im Concert-Sale des Opernhauses". (Signale für die musikalische Welt, 1849, Heft 50). Naumann bemühte sich in der Zeit um eine Position in Berlin und wurde 1856 Hofkirchenmusikdirektor. In dieser Funktion veröffentlichte er die Sammlung „Psalmen auf alle Sonn- und Fest-Tage des evangel. Kirchenjahres“ mit dem postumen Erstdruck des Psalms „Jauchzet dem Herrn, alle Welt“, WoO 28, MWV B 45, von Felix Mendelssohn Bartholdy. Ab 1873 lehrte er am Dresdner Konservatorium.