1. deutsch
Empfehlungsschreiben für Friedrich Gernsheim

Moscheles, Ignaz (1794-1870)

Eigenhändiges Empfehlungsschreiben für seinen ehemaligen Schüler Friedrich Gernsheim (1839-1916), Leipzig d. 11. Jannuar 1864

Leipzig, 11.01.1864

EUR 800,00

14x22 cm, 1 Seite auf Doppelblatt.

"Ich bezeuge hiemit, dass Herr F. Gernsheim in den Jahren 1852-54 schon als Knabe große Begabung zur Tonkunst zeigte, als er durch meinen Privat-Unterricht, und im hiesigen Conservatorium seine Studien machte, und sich mit bestem Erfolge ausbildete. Er hat seitdem in der praktischen Kunst, Komposition, und Leitung von Sing-Vereinen, solche Fortschritte gemacht, dass ich ihn für die Besetzung derartiger Stellen hierdurch bestens empfehlen möchte. I Moscheles Leipzig d. 11ten Januar 1864" - Friedrich Gernsheim (1839-1916), aus einer wohlhabenden jüdischen Arztfamilie in Worms stammend, trat bereits früh als Wunderkind auf und wurde (wie sein Freund Max Bruch 1838-1920) von Ferdinand Hiller gefördert. Beide studierten auch (zu unterschiedlicher Zeit) in Leipzig u.a. bei Moscheles. Nach seinen jugendlichen Studien und einem frühen langen Aufenthalt in Paris (1855-1861) kehrte Gernsheim nach Deutschland zurück und trat - in der Nachfolge von Hermann Levi - seine erste Stelle als Leiter des Singvereins und Musikdirektor in Saarbrücken an. Eine Bewerbung in Mainz 1862 und eine weitere im selben Jahr in Aachen schien aufgrund der jüdischen Herkunft von Gernsheim aussichtslos, wie Max Bruch, der hier offensichtlich gute Informationen dazu hatte, dem Freund in zwei Briefen 1862 empört mitteilt. Mit dem Empfehlungsschreiben von Moscheles konnte Gernsheim schließlich seine erste bedeutendere Stelle in Köln 1865 am Konservatorium unter Ferdinand Hiller antreten. Nach seinen Kölner Jahren erfolgte 1874 die Berufung nach Rotterdam, 1890 nach Berlin. - Gernsheim zählt zu den bedeutendsten Musikern der deutschen Spätromantik. Mit Brahms befreundet und in seinen späteren Jahren trotz seiner konservativen Grundhaltung auch der Moderne gegenüber aufgeschlossen (Gustav Mahler), wurde Gernsheims "jüdische" Musik in der Zeit des Nationalsozialismus verboten und erst heute wieder entdeckt.

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