Mauricio Kagel (1931-2008), argentinisch-deutscher Komponist, einer der bedeutendsten Vertreter der musikalischen Avantgarde, detailreich über seine Komposition "Anagrama". In seinem ironisch-originellen Ton an Pierre Boulez schreibt Kagel über die Phasen der Fertigstellung: "... J‘ai le plaisir de vous annoncer que la composition de l‘ 'Anagrama' est déja arrive à lètat qui au siècle passé s’appellerait ‘finale con fuoco’ ... et que à nos jours est simplement ‘con fuoco’. Heureusement les finales ne servent maintenant qu’à un recommencement perpetuel, mais je vous assure, cher Boulez, que je ne voudriez pas recommencer à écrire mon Anagrama. Laissons mieux cette affaire au Dante ... in girum ...". Ausserdem über die Wahl des Partiturformats, den Kontakt zum Züricher Sprechchor, den Kagel für die Uraufführung gewinnen möchte ("sie zeigen sich sehr interessiert, aber sie brauchen noch eine Antwort, denn im Dezember haben sie einen Auftritt in Hamburg und als gute Schweizer müssen sie dafür zu guter Zeit am 30. Januar eintreffen..."), den Kontakt zu Dr. Tomek vom WDR, die Wahl der Solisten, für die Boulez zuständig ist (Kagel empfielt dafür einen jungen argentinischen Bass "il est très musical - seeehhhr musikalisch‘!"), fragt vorsichtig nach der Platzierung seines Stückes im Programm ("Si ma petition n’altère pas sérieusement votre conception du concert, pourriez-vous diriger la première de mon oeuvre à la deuxième place?") und wünscht Boulez noch eine glückliche Arbeit in Baden-Baden. - Anagrama, eine höchst artifizielle Sprachkomposition für 4 Gesangssolisten, Chor und Instrumentalensemble, die Kagel Boulez und dem Kammersprechchor Zürich widmete, basiert auf dem Palindrom von Dante "In girum imus nocte et consumimur igni" (Wir irren des Nachts im Kreis umher und werden vom Feuer verzehrt). Das Werk wurde 1960 bei dem 34. Weltmusikfest der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik in Köln mit großem Erfolg uraufgeführt.