"10.5.32. In höchster Eile, Dank für Dein liebes, liebes Brieferl, das mich so beruhigt hat. Im Detail kann ich Dir jetzt leider nicht antworten, nur das Eine: Ich lebe - auch in Wien - im Grunde ganz einsam (habe keine Freundin) - und werde nun am Land noch einsamer sein, wenn auch Menschen um mich sind! Bin ich einmal ganz allein u. unbeobachtet, so schreib' ich Dir selbstverständlich sofort. Ansonsten ist es ganz gut so, wie wir's jetzt vereinbart haben über J.S. - 'ganz gut' ist es wohl nicht, sondern ganz schlecht fast, aber was bleibt uns übrig??? Heut nur dieses Lebenszeichen von Deinem Dich küssenden - überall hinküssenden Al." - Liebesbrief von Alban Berg an seine späte Geliebte Anny Askenase in Brüssel, die geheime Korrespondenz besorgte diskret sein Vertrauter Julius Schloss (J.S. im Brief). - Berg wohnte 1932 anlässlich einer Wozzeck-Aufführung 1932 in Brüssel bei seinem Freund, dem Pianisten Stefan Askenase und seiner Frau, in die er sich heftig verliebte - ähnlich wie 7 Jahre zuvor seine Affäre in Prag mit Hanna Fuchs-Robettin. - Die Briefe an Anny Askenase (1932-1933) kamen aus dem Besitz der Erben in den 1980er Jahren auf den Markt und sind heute größtenteils in öffentlichem Besitz: Die BSB in München hat 16 Briefe, online einsehbar, die ONB in Wien 2 Briefe.